30 Jahre Physio in Lesotho

 

Eine Übersicht der Projekt-Aktivitäten

Training von Physio Assistentinnen

Seit 1987 werden vor allem in Paray und Seboche Physio-Assistentinnen ausgebildet. Zurzeit sind in Lesotho über 40 in Physio weitergebildete Krankenschwestern, welche regelmässig an unsere Ausbildungskurse kommen, tätig. Dieses Jahr feierten wir im Paray Hospital den 10. nationalen Workshop für Physio-Assistentinnen. Seboche führte schon fünf solcher Kurse durch und diese Bemühung zeigt Erfolg. Während einer Woche lernen und üben wir, beobachten zusammen Fallbeispiele und diskutieren die aktuellen Themen. Diesmal ging es um die Behandlung von Gewaltopfern, um die Rehabilitation von halbseitig Gelähmten, die Entwicklungsförderung von behinderten Kindern und um die Bewegungsschulung im Allgemeinen.

26 Assistentinnen aus 15 Spitälern und 3 Gesundheitszentren nahmen daran teil. Der Kurs und die Spesen für Kost und Logis wurden vom Projekt «Physio in Lesotho» übernommen, die Institution übernahm den Lohn und die Transportkosten der Teilnehmerinnen.

 

Training von diplomierten Physiotherapeutinnen

Zurzeit sind in ganz Lesotho 9 diplomierte Physios tätig, bis auf eine Kollegin, alle in der Hauptstadt. Jährlich treffen wir uns für drei Tage in Maseru. Gemeinsam bestimmen wir das Thema und die entsprechenden workshops finden im halbprivaten Spital in Maseru-Tsepong statt. Dieses ist auch das Kompetenz-Zentrum für verschiedene Fachgebiete. Es verfügt über eine grossartig ausgebaute Physio- und Ergotherapie. Im Anschluss des Kurses findet jeweils ein Weiterbildungstag für die 2 privat praktizierenden Physios statt. Diese Kolleginnen arbeiten in ihrem eigenen Studio und bieten die Physio Dienstleistungen auch in den privaten Spitälern von Maseru an. Das private Gesundheitswesen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Leider wurden bisher keine Anstrengungen unternommen, junge Basothos nach Südafrika zu senden um sie in Physiotherapie auszubilden, deshalb gibt es heute weniger Diplomierte als vor zehn Jahren.

 

Physio-Supervision und klinischer Unterricht an den Distrikts- und Missionsspitälern

Ich reise von einem Spital zum anderen und verweile zwischen einer und vier Wochen vor Ort. So kann ich, mit den lokalen Physio-Assistentinnen zusammen, die tägliche Arbeit bewältigen und direkt am Krankenbett unterrichten. Das ist ein guter Weg, lernt man doch wirkungsvoll übers Zuschauen, über gemeinsames Tun und über aufbauende Feedbacks. Diese Besuche geben mir einen Einblick in die örtliche Realität meiner Schülerinnen und ermöglichen das Fördern der Integration des Physio-Service in den Spital-Alltag. Regelmässig gebe ich Fortbildungen auch für Ärzte und das gesamte Pflegepersonal und versuche auf diesem Weg die medizinischen Dienste auf die Möglichkeiten der Physio aufmerksam zu machen.

Folgende Spitäler besuche ich regelmässig: Paray, Seboche, Roma, Motebang, Maputsoe, Mantsoyane, Tebellong, Morija und Mokhotlong. Diese alle sind Missions- und Regierungsspitäler. Nun sind auch noch das Militärspital und wie schon erwähnt das Tsepong Spital dazu gekommen.

Des weiteren besuche ich die Health-Centers von Sehonghong, Cacha’s Nek und Pitseng.

 

Training von Dorf-Gesundheitsarbeiterinnen

Seit vier Jahren finden am Seboche- und am Paray Hospital und neuestens im Tebelong Spital regelmässige Tageskurse für die village health workers statt. An einzelnen Tagen unterrichten wir einfache physiotherapeutische Anwendungen für die Hauspflege. Es gibt viele HIV und TB Patienten mit Komplikationen wie Beinschwellungen, neurologischen Ausfällen, chronischen Atemwegs-Beschwerden, Schwächezuständen, etc. Die einerseits erfreuliche Zunahme an überlebenden HIV-AIDS Patienten bedeutet andererseits auch eine enorme Zunahme an Patienten mit Rehabilitationsbedarf. Ebenso finden wir in den Dörfern viele alte Menschen mit Gelenkschmerzen, Wirbelsäulenleiden und allem Anderen was das Alter so mit sich bringt. Die Zunahme an Bluthochdruck-Patienten, Diabetes-Kranken und Übergewichtigen führt dazu, dass es heute deutlich mehr halbseitig gelähmte Menschen gibt. Für diese Patienten ist die village health workerin ein Segen, denn sie kommt zu ihnen nach Hause und kann sie mit der rundhüttentauglichen Basis-Physiotherapie behandeln. Die meisten dieser Patienten können das Distrikt Spital aus eigenen Kräften nicht erreichen und die schlechten Wege erlauben keinen Krankentransport dorthin.

Mit Hilfe von John Engeler habe ich im Oktober 2017 eine kleine Broschüre zum Thema „Physioskills in homebased care“ verfasst. In einfacher Sprache werden darin alle gängigen Behandlungen besprochen und abgebildet. Schon nach kurzer Zeit fand das Büchlein grosses Interesse. So hat es die Organisation „Aktion für natürliche Medizin“ allen ihren Mitarbeitern weltweit zugestellt und die Leiterin des TB Programmes des Gesundheits-Ministeriums in Lesotho möchte es im Rahmen ihrer Organisation verbreiten. Ebenso interessiert sich die Vereinigung „Betreuung terminaler Patienten zu Hause“ für eine Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen zu diesem Thema. Im Laufe dieses Jahres soll das Büchlein in Sesotho, der einheimischen Sprache, publiziert werden.

Neu ist, dass Teile dieser Weiterbildung von einheimischen Physio-Assistentinnen geleitet werden.

 

Physio für Betagte

Heute gibt es in Lesotho Altersheime und Wohngemeinschaften für alte Menschen ohne Familienanschluss. Von vier Institutionen wurde ich angefragt, das Hilfspersonal, meist einfach gebildete Frauen und Männer, in Basis-Physio zu unterrichten. Die Bedürfnisse sind die gleichen wie bei uns in Europa: das Alter scheint universell vielerlei Beschwerden mit sich zu bringen. So geht es um die Behandlung von Rücken- und Nackenschmerzen, Kniearthrosen, Bein-Ödeme, Gehschwierigkeiten und Blasenschwäche.

Die bettlägerigen Bewohnerinnen werden mit Durchbewegen, Atemübungen und einfachen Turnübungen behandelt. Heute gibt es auch in Lesotho Rollatoren und Gehböckli was für viele die Möglichkeit bietet länger mobil zu bleiben. Mit wenig kann schon viel erreicht und die Lebensqualität verbessert werden.

 

Physio im Dorf

Jährlich verbringe ich einige Tage in abgelegenen Dörfern oder empfange an ländlichen Missionsstationen Menschen aus einfachsten Verhältnissen, sind es doch die Ärmsten, die die offiziellen Gesundheitsinstitutionen selten bis gar nie beanspruchen. Viele von diesen Patienten sind regelmässige Kirchgänger und dort hören sie von der örtlichen Krankenschwester, dass die „Barfuss-Physio kommt“. Ende 2017 empfingen Chantal Jauslin, eine Schweizer Berufskollegin, und ich, über hundert Patientinnen in einer zur Physio-Praxis umgewandelten Rundhütte in Pitseng. Ähnliche Erfahrungen mache ich in abgelegenen Gegenden im Hochland von Thaba-Tseka. Als Physiotherapeuten sind wir hier gefordert, unterscheiden zu können, wer zur nächsten Gesundheitsstelle oder zum Arzt ins Spital weitergewiesen werden muss oder wer vor Ort von unserer einfachen Physio profitieren kann. Dabei geht es oft um Anweisungen, Turnübungen, Wickel und Umschläge mit einheimischen Kräutern, um Gesundheitsempfehlungen und Hinweise die häufig beobachtete Mangelernährung zu korrigieren. Bei der Unterstützung mangelernährter Patienten hat uns in all den Jahren die Firma Burgerstein grosszügig mit Multivitaminen und Mineralprodukten geholfen. Es gibt aber auch Patienten, denen wir nicht helfen können: schwere Deformationen aufgrund von Geburtsleiden oder Unfällen, massivste Bein-Ödeme oder nicht behandelte zerebrale Paresen. Was wir leisten ist ein Tropfen im grossen Meer und dennoch ein wichtiger Tropfen für die Betroffenen, die oft über mehrere Stunden zu Fuss zur Behandlung unterwegs sind.

 

Sensibilisierungskurse für Krankenschwester-Schülerinnen

Die Schulen von Thaba-Tseka, Roma und Morija bitten mich regelmässig um ein- bis dreitägige Kurse für Krankenschwestern. So kann ich diese jungen Anwärterinnen der zukünftigen Spitalarbeit auf unseren Beruf, unser Wirken und die Möglichkeiten der Physio sensibilisieren. Neben theoretischen Lektionen führe ich gemeinsam mit den lokalen Physio-Assistentinnen auch praktische Übungen durch und wir zeigen Behandlungen die auch Krankenschwestern gut durchführen können. Wichtige Aspekte sind das Aufnehmen von bettlägerigen Patienten, das Lagern von Gelähmten, das Abklopfen von Lungenkranken und die postoperative Physio nach Kaiserschnitt oder Bauchoperationen. Ein besseres Verständnis unserer Arbeit von Seiten der Krankenschwestern ist hilfreich und die Kurse machen es ihnen möglich diese Behandlungen auszuführen wenn es weit und breit keine Physio gibt. Steter Tropfen höhlt den Stein: Wo immer ich auch unterrichte treffe ich auf ehemalige Schülerinnen und fast alle Oberschwestern in den 9 Spitälern wo ich unterrichte, freuen sich wenn ihr ehemaliger Physio-Lehrer wieder auftaucht.

 

Physio Datenbank und Ressourcen Webseite

In diesen Jahren entwickelte ich mit Hilfe von Berufskolleginnen eine Datenbank zu allen wichtigen Themen der Physio-Arbeit in Lesotho. Darin befinden sich spezifische Artikel, Fachbücher, Vorträge und Lehrfilme. Wir haben eine entsprechende Website aufgebaut und diese wird erfreulich benutzt (2017: 1’400 Nutzer mit 3’700 Seitenaufrufen, 30% aus Lesotho, 17% Südafrika, je 10% aus den USA und Canada, je 2% aus China, Indien und Brasilien! Der youtube-Kanal „Wolfgang Fasser“, wo alle Lehr-Videos von Physio in Lesotho gelagert werden, wurde 2017 48’700 Mal aufgerufen. Die Filme über Oedem-Behandlung des Beins und über facial expression excercise wurden bis jetzt 27’700 und 21’100 Mal angeschaut, seit Aufschaltung 2014 und 2016). Die meisten unserer Schülerinnen besitzen ein Smartphone und können sich mit dieser Bibliothek verbinden. Über WhatsApp bin ich auch regelmässig in Kontakt mit den Spitälern um fachliche und administrative Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

www.physioinlesotho.ch